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Anhörung im Bundestag zu PPP - ÖPP = Öffentlich-Private-Partnerschaften (24. Oktober 2012)
Start der Seite: 24.10.2012
Stand der Bearbeitung: 10.11.2012
Abbildung 1 Die Experten hören ihren Kollegen zu und machen sich Notizen. Über ihnen auf der Tribüne die interessierten Zuhörer. |
Abbildung 2 Die Zuschauertribüne ist voll besetzt. Sie reicht nicht aus; da auch die Nebentribüne nicht ausreicht, werden weitere Zuhörer nach unten in den Saal zu den Experten und den Abgeordneten gesetzt. |
Abbildung 3 Carl Waßmuth (rechts) von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V. und Felix Pakleppa (links), Zentralverband Deutsches Baugewerbe e.V. (ZDB) |
Abbildung 4 Nicht nur die Haupttribüne ist voller interessierter Zuhörer, auch die Nebentribüne ist vollbesetzt. Und da der Platz nicht ausreicht, sitzen auch Zuhörer im Saal bei den Experten und Abgeordneten des Bauausschusses. Mit dem Rücken zu uns sitzt der Moderator, Dr. Anton Hofreiter, Bündnis 90/Die Grünen. |
Abbildung 5 von links nach rechts: Bernward Kulle, ÖPP Deutschland AG Felix Pakleppa, Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V. (ZDB) Dr. Heiko Stiepelmann, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. (HDB) Carl-Friedrich Waßmuth, Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e. V. |
Abbildung 6 Eine mehrerer Fragerinnen bei der Anhörung, Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Linken |
Abbildung 7 Carl Waßmuth von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V. beleuchtet kritisch die Nachteile, die sich aus PPP-Verträgen mit den Kommunen und Ländern ergeben und kann sie anhand von konkreten Beispielen belegen. Nachdenklich hört Felix Pakleppa (ganz links), Zentralverband Deutsches Baugewerbe e.V. (ZDB), zu, der zuvor schon die Nachteile für den Mittelstand erläutert hatte. |
Abbildung 8 Prof. Thorsten Beckers (rechts), Technische Universität Berlin, der seit 2005 wissenschaftlich zu PPP arbeitet, kritisiert PPP vehement. Dietrich Klein (links), Landesfachkommission Straßenbauverwaltung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, übt ebenfalls Kritik an der Öffentlich-Privaten-Partnerschaft. |
Abbildung 9 Es ist nicht zu fassen, was alles zum Nachteil von Bürgerinnen und Bürgern unter PPP passiert. Hier: eine Zuhörerin. |
Die schriftlichen Stellungnahmen der Experten finden Sie unter http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a15/Oeffentliche_Anhoerungen/Archiv/24_10_2012__Oeffentlich_Private_Partnerschaften_im_Verkehrswesen/Stellungnahmen/index.html.
Am selben Tag fand auch eine Demo im Vorfeld der Anhörung im Bundestag zu PPP - ÖPP = Öffentlich-Private-Partnerschaften statt.
s. auch: Privatisierungsprojekte
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Bericht zu der Anhörung im Bundestag zu PPP - ÖPP = Öffentlich-Private-Partnerschaften
PPP – die griechische Form der Infrastrukturfinanzierung
Carl Waßmuth: Bundestagsanhörung. Schwierige Partnerschaft - PPP- die "griechische Form der Infrastrukturfinanzierung". Berliner Stimme, 3.11.2012, S. 9
Am 24.10.2012 fand im Verkehrsausschuss des Bundestags eine öffentliche Anhörung zum Thema PPP, Public Private Partnerships statt. Es war die erste Anhörung zu PPP seit Einführung des Instruments, zwölf Jahre lang waren Bund, Länder und Kommunen Finanzverpflichtungen in Milliardenhöhe eingegangen, ohne sich nennenswerten öffentlichen Debatte stellen zu müssen. Das Interesse an der Anhörung war entsprechend groß, auch im Ausweichraum war jeder Zuschauerplatz besetzt. Im Vorfeld der Anhörung ließen Demonstranten vor den Türen des Bundestags symbolisch Ballons platzen - PPP führt nach ihren Angaben zu Spekulationsblasen, die die Infrastruktur der Daseinsvorsorge den Finanzmärkten ausliefern.
Formal standen auf der Tagesordnung je ein Antrag von SPD und Grünen, in denen bei Anwendung von PPP im Verkehrswesen Transparenz verschiedenen Grades gefordert wurde. Vermutlich führte der Diskussionsdruck dann jedoch bei Abgeordneten und geladenen Sachverständigen dazu, dass PPP in seiner ganzen Breite erörtert wurde.
Die Bilanz war überwiegend kritisch.
Durchweg verteidigt wurde das Modell PPP von nur drei der acht geladenen Sachverständigen. Prof Böger von der eigens zur Verwaltung von PPP gegründtene und nach wie vor bundeseigenen Verkehrsinfrastrukturgesellschft VIFG, Bernward Kulle von der teilprivaten ÖPP AG und Heiko Stiepelmann als Vertreter der großen Baufirmen bezogen sich in ihren Darlegungen häufig auf Befragungen (z.B. unter PPP-Auftraggebern zur Architekturqualität sowie unter Rektoren von PPP-Schulen). Eine derzeit noch laufende Befragung zu Transparenz bei PPP-Auftraggebern scheint trotz der einseitig ausgewählten Gruppe der Befragten nicht wie gewünscht auszufallen, denn es wurde bereits angekündigt, dass Befragungsschwerpunkte verändert oder anders gewertet werden müssten.
Felix Pakleppa, nach eigenen Angaben Vertreter von 35.000 mittelständischen Baufirmen, kann sich im Hochbau eine Fortführung von PPP vorstellen, wenn die Losgrößen deutlich verkleinert werden. Für den Verkehrsbereich lehnte er PPP generell ab, nach seiner Aussage kommt der Mittelstand dabei nicht zum Zuge.
Scharfe Kritik äußerte der Wissenschaftler Prof. Beckers. Er legte unter anderem dar, dass an vielen Stellen durch PPP eklatante Fehlanreize geschaffen werden, auf die die Akteure dann auch reagieren würden. Beckers, der seit 2005 wissenschaftlich zu PPP arbeitet, spitzte die Ergebnisse seiner Untersuchungen in der Aussage zu: "PPP ist die griechische Form der Infrastrukturfinanzierung". Er verwies dazu darauf, dass Griechenland zusammen mit Spanien, Portugal und Großbritannien PPP am weitaus stärksten eingesetzt hatte.
Auch die Vertreter des Bundesrechnungshofs MRn Romy Moebus und RD Ralf Bönte erläuterten die bereits mehrfach schriftlich vorgelegte PPP-kritische Position ihres Hauses. Danach wird PPP als Finanzierungsalternative und somit zur Umgehung der Schuldenbremse und anderen Verschuldungsgrenzen eingesetzt, unterstellten Bauzeitgewinnen der PPP-Konzessionäre von einigen Monaten stehen Verzögerungen infolge des aufwendigen Verfahrens von mehreren Jahren gegenüber.
Dietrich Klein von der Gewerkschaft Verdi machte auf die ungerechtfertigten pauschal unterstellten Effizienzvorteile zugunsten der Privaten in den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen aufmerksam. Er wies darauf hin, dass im Bereich der Autobahnen zumeist 50% der Kosten Personalkosten seien. Hinsichtlich der Kosten von Material und Maschinen gebe es für die öffentliche Hand und die Privaten nur geringe Preisunterschiede, so dass PPP regelmäßig zu massivem Personalabbau auf der einen und Dumpinglöhnen auf der anderen Seite führe.
Carl-Friedrich Waßmuth von der Organisation Gemeingut in BürgerInnenhand e.V. (siehe unten) kritisierte PPP grundsätzlich. Er hob hervor, dass es sich dabei um eine Form von Privatisierung handelt, die auch bei mehr Transparenz enorm gemeinwohlschädlich bleibe. Exemplarisch hob er hervor, dass PPP-Verträge verkauft werden können und auch werden, in Großbrittnaien allein 678-mal mit einem Volumen von 6,25 Mrd. Euro.
Auch die Fragen der Abgeordneten deuteten auf eine eher skeptische Haltung zu PPP hin. So sorgte man sich um den Mittelstand und interessierte sich für die deutlich höheren Finanzierungskosten gegenüber öffentlicher Kreditaufnahme. Eine Rückfrage der verkehrspolitischen Sprecherin der Linken, Sabine Leidig, zum geringen Eigenkapital der Zweckgesellschaften, zu deren Insolvenzgefahr und zur generellen Handelsfähigkeit von PPP brachte den PPP-Befürworter Prof. Böger sogar sichtlich in Verlegenheit.
Von mehreren Seiten wurde auf eine jüngere Auswertung von PPP durch das britische Unterhaus hingewiesen. Fast alle Experten forderten eine Evaluation von PPP-Projekten. Völlig einig waren sich die Experten, dass mehr Transparenz erforderlich ist. Die Reaktionen der Regierungsvertreter zu den aufgeworfenen Fragen und vorgebrachten Forderungen waren verhalten. Man begnügte sich damit, einen Leitfaden zur einheitlichen Erstellung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen anzukündigen. Ob PPP aus dieser Position heraus weiter als Erfolgsmodell verkauft werden kann, ist zweifelhaft – und das kann durchaus auch als ein respektabler Verdienst der Anhörung angesehen werden.
PPP bedroht die Demokratien in Europa
Die negativen Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger mit PPP werden immer gravierender. Eines der frühen PPP-Projekte, die Wasserbetriebe in Berlin, stehen bereits fast wie sprichwörtlich für katastrophal teure, intransparente und bürgerfeindliche Verträge. Hinzu kamen seither Abbrüche, Kostenexplosionen, eklatante Bauzeitverlängerungen und wertvernichtende Insolvenzen.
PPP ist nicht nur irre teuer, mit PPP wird zudem auch die Schuldenbremse umgangen, der öffentliche Dienst erodiert und die Infrastruktur der Daseinsvorsorge in der Substanz bedroht. Durch PPP wird die Daseinsvorsorge zum handelbaren Finanzprodukt, und es wird gehandelt. Akteure der Finanzmärkte mit Sitz in Steueroasen wie die Bilfinger Berger Global Infrastructure mit Sitz in Luxemburg verkaufen PPP-Anteile von Projekten in Pforzheim, Mülheim, Unna und Wiesbaden, darunter PPP-Verträge von Feuerwachen, Schulen und Gefängnissen. Noch schädlicher sind Insolvenzen wie bei der Metro in London oder dem World Trade Center in Bonn. Aktuell stehen in Spanien die Konzessionäre der PPP-Autobahnabschnitte vor der Insolvenz, vier Milliarden Euro Schulden drohen dem Staatshaushalt zuzufallen. Dergleichen bedroht die Demokratien in Europa: Schon beim kleinen Griechenland kam es zu mittleren Beben, als plötzlich viele Schulden gefunden wurden. Die aus PPPs gebildeten Finanzprodukte ähneln stark denjenigen, die bereits die Krise von 2008 ausgelöst haben – mit dem Unterschied, dass dieses Mal nicht Immobilien in den USA, sondern die Infrastruktur der Daseinsvorsorge überschuldeter Kommunen oder Staaten und deren Zahlungsfähigkeit die Spekulationsmasse bilden.
Carl Waßmuth, PPP-Experte im erweiterten Vorstand der Abteilung 12, SPD Friedrichshain, Gründungsmitglied und Vorstand von Gemeingut in BürgerInnenhand e.V.
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Gerlinde Schermer und Ulrike von Wiesenau: Stellungnahme des Berliner Wassertisches zur öffentlichen Anhörung über PPP am 24.10.2012 im Deutschen Bundestag
Die Bürgerinitiative Berliner Wassertisch hat im Februar 2011 durch
einen Volksentscheid mit 666.000 Stimmen das Gesetz zur Offenlegung der
Geheimverträge bei den Berliner Wasserbetrieben rechtsgültig werden
lassen und in Folge mit seinem Untersuchungsausschuss "Klaerwerk" die
Vertragsrealitäten der Wasser-Teilprivatisierung analysiert und
rechtlich beurteilt. Das Ergebnis: Berlins PPP-Wasserverträge verstoßen
gegen die Verfassung.
Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse von "Klaerwerk" und der
öffentlichen Prüfung des durch den Volksentscheid und sein Gesetz zur
Offenlegung erzwungenen Sonderausschusses "Wasserverträge" im Berliner
Abgeordnetenhaus, ist festzustellen: Die Teilprivatisierung der
Berliner Wasserbetriebe im Jahre 1999, die größte innerhalb der EU,
stellt den Musterfall eines PPP-Vertrages dar, bei der privaten
Konzernen im Rahmen von Geheimverträgen ohne unternehmerisches Risiko
hohe Gewinngarantien und Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Der
Fall der Berliner Wasserbetriebe ist zudem dadurch gekennzeichnet (und
besonders skandalös), dass Bestimmungen des Berliner
Teilprivatisierungsgesetzes, die vom Berliner Verfassungsgericht für
nichtig erklärt wurden, unter Missachtung und Umgehung des
Verfassungsgerichtsurteils dennoch verwirklicht wurden. Darüber hinaus
ist festzustellen, dass der Privatisierungsvertrag tief in die
demokratischen Rechte eingreift, insbesondere das Haushaltsrecht
aushebelt; des Weiteren, dass die Verträge das Demokratiegebot des
Artikel 20 des Grundgesetzes verletzen.
Das Berliner Betriebegesetz ist eng mit dem Privatisierungsvertrag
verflochten, Parlament und Regierung verdeckten diese Zusammenhänge
jedoch jahrelang vor Bürger und Gerichten. Da die verfassungswidrigen
Regelungen der skandalösen Teilprivatisierungsverträge im Gesetz zum
tragen kommen, ist die Verfassungsmäßigkeit des Betriebegesetzes durch
ein Normenkontrollverfahren zu überprüfen, dies um so mehr, als der
PPP-Vertrag nun erstmalig offen liegt.
Ferner ist es eine Tatsache, dass die Rendite-Garantie der privaten
Investoren RWE und Veolia, die 1999 49,9 % der BWB erwarben,
ursächlich für die hohen Trinkwasser- und Abwasserpreise in Berlin
sind. Bereits jetzt sind die 1,68 Milliarden Euro zurückgeflossen, die
die Privaten 1999 bei ihrem Anteilserwerb der Berliner Wasserbetriebe
eingesetzt haben. Bei einer Vertragslaufzeit bis zum 31.Dezember 2028
kämen weitere 1,99 Milliarden Euro hinzu, was dank der Gewinngarantie
eine Rendite von 13 Prozent ohne jedes unternehmerische Risiko ergäbe.
Erwiesen ist schließlich auch, dass sich aufgrund der Rentitegarantie
eine disproportionale Gewinnverteilung zu Gunsten der Privaten ergibt -
trotz ihrer im Vergleich zum Land Berlin geringeren Anteile - seit
Beginn der Privatisierung erhielten sie rund 70% der Gewinne, das Land
Berlin hingegen nur 30%!
Im Jahre 1999, zu Zeiten des Vertragsschlusses, wurden die Abgeordneten
durch eine "weich formulierte" Absichtserklärung des Senats über die
Konsequenzen der Teilprivatisierung getäuscht. Ihnen wurde suggeriert,
dass die Weiterführung des Konstrukts billiger sein würde als dessen
Rückabwicklung. Auch wurden sie nicht genau genug darüber in Kenntnis
gesetzt, wie der "Verordnungszinssatz" berechnet und vom Berliner Senat
begründet wird und in welcher Weise die "Effizienzsteigerungsklausel"
gewinnsteigernd wirkt; damit wurde die Beutegemeinschaft von Senat und
Privaten etabliert. Schließlich wurden die Abgeordneten ebenfalls nicht
hinreichend informiert, dass das Management der BWB
Erhaltungsaufwendungen als "Investition" abrechnet und damit das
betriebsnotwendige Kapital in die Höhe treibt, was regelmäßig dazu
führt, dass sich Senat und Private seit 2006 um "Über- bzw.
"Unterdeckung" der "Gewinnzusage" streiten. Die Höhe der Kosten für
diese Streitigkeiten werden der Bevölkerung ebenfalls vorenthalten.
Derartige Rechtsstreitigkeiten über "Schiedsgerichte", die geheim tagen
und entscheiden, sind ebenfalls Merkmal von PPP- Verträgen.
Es ist nie gerichtlich festgestellt worden, dass die jetzige
gesetzliche Regelung der Teilprivatisierung mit der Verfassung von
Berlin vereinbar ist. Im Gegenteil: Das Berliner Verfassungsgericht
hatte das im Jahre 1999 eigens für diesen Zweck geschaffene
Teilprivatisierungsgesetz überprüft und in Teilen für
verfassungswidrig befunden; die
entsprechenden Bestimmungen im Gesetz waren damit nichtig. Das betraf
den "Rendite-Risikozuschlag" von +2% und die
"Effizienzsteigerungsklausel". Beides Dinge, die sich so oder ähnlich
in vielen PPP-Verträgen wiederfinden. Das Gericht hat diese beiden
Tatbestände, die eine direkte Wirkung auf die Höhe des Gewinnes haben,
ausdrücklich für verfassungswidrig erklärt. Dennoch wurden und werden
die Investoren so gestellt, als ob es das Urteil nie gegeben hätte! Das
Land hat sich im Konsortialvertrag dazu verpflichtet, den Investoren
geringere Gewinne auszugleichen, wenn die ursprüngliche
Verzinsungsregel (R+2% plus Effizienzsteigerungsklausel) "aufgrund
einer Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtes" keinen Bestand
haben sollte. Es liegt also im Vertrag mit all seinen Bestandteilen und
Nebenabreden begründet, dass man glaubte, sich über ein
Verfassungsgerichtsurteil hinwegsetzen zu können.
Einer kritischen Öffentlichkeit ist inzwischen bekannt, dass die
exorbitanten Renditen, die die privaten Investoren in Berlin erzielen
(zwischen 11% und 13% auf ihre Einlage), die Folge der
Privatisierungsverträge sind. Das sind Renditen, die heute nicht einmal
auf Staatsanleihen von Pleitestaaten gezahlt werden. Wir haben es hier
aber mit einem Monopol mit Anschluss- und Benutzerzwang für die
Abnehmer, wenigen industriellen Nutzern und damit einer geringen
Abhängigkeit von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu tun. Ein
Risiko, das solche Renditen rechtfertigen könnte, liegt somit in keiner
Weise vor.
Die exorbitanten Gewinne der privaten Eigentümer werden durch ein
dreistufiges Verfahren bis mindesten 2028 gesichert. Der
Privatisierungsvertrag, der für immer geheim bleiben sollte, hat dieses
Verfahren festgelegt: Danach sollen Gesetze so geändert werden, dass
die Preise angehoben werden können, damit die Garantierendite
"erwirtschaftet" wird. (Variante A) Falls dies nicht wirksam geschieht,
muss das Land auf den Gewinn aus seinem Anteil verzichten. (Variante B)
Und wenn das immer noch nicht reicht, um die garantierte Rendite der
Privaten zu decken, muss der noch fehlende Betrag aus dem Haushalt des
Landes Berlin aufgestockt werden. (Variante C) Damit diese dubiosen
Vereinbarungen wenigstens vordergründig eine gesetzliche Grundlage
haben, hat das Abgeordnetenhaus von Berlin einer entsprechende Änderung
der Gesetze zugestimmt und damit - zum Teil in weitgehender Unkenntnis
der Lage und ihrer Konsequenzen - auf Teile des Gewinns, die dem Land
sonst zugekommen wären, verzichtet.
Im Jahre 2003 wurden in Reaktion auf das Urteil und unter dem Zwang des
PPP-Vertrages zwei Veränderungen im Teilprivatisierungsgesetz
beschlossen, die sich dauerhaft preistreibend auswirken: Es wurde ein
"Mindestzinssatz" mit variabler Möglichkeit zur Erhöhung erlaubt, als
Ersatz für den verfassungswidrigen Gewinnzuschlag von +2%. Es wurde ein
Ersatz für den Wert der "Effizienzsteigerungsklausel" durch die
Änderung der Abschreibungsmethode von AFA nach Anschaffungswerten hin
zu AFA nach (höheren) Wiederbeschaffungszeitwerten geschaffen. (Die
vertraglichen Regelungen dazu finden sich passend im Konsortialvertrag
im § 21 und Anlagen und im § 23 und im § 4 des StG-Vertrages II).
Das Abgeordnetenhaus hat damit faktisch zu Lasten der Benutzer einer
öffentlichen Einrichtung der Daseinsvorsorge einen "Gewinnaufschlag"
zugestanden. Diese der Entgeltbemessung in Wahrheit zugrunde liegenden
Erwägungen, das Umgehen einer Entscheidung des Verfassungsgerichts,
wurden weder im Gesetzeswortlaut noch in der Begründung offengelegt.
Damit wurde auch gegen das Gebot der Normenwahrheit verstoßen. In
diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass niemand darüber reden
durfte, selbst wenn er davon wusste, weil im Vertrag die Geheimhaltung
festgeschrieben war. Das Prinzip der Geheimhaltung ist bei allen PPP
Verträgen in Deutschland Praxis.
Da heute alle diese die Preise erhöhenden Regelungen zur Absicherung
der Garantierendite aus dem Vertrag - vom novellierten
Teilprivatisierungsgesetz - in das Betriebegesetz übernommen worden
sind, steht ein Normenkontrollverfahren des Betriebegesetzes an. Denn
die Bestimmungen des Betriebegesetzes wurden so gefasst, wie sie jetzt
gelten, weil man verfassungswidrige Verträge gesetzlich legitimieren
wollte.
Ein derart offensichtlicher Eingriff in die demokratischen Rechte der
Legislative durch den Missbrauch wirtschaftlicher Macht, verlangt auch
nach einer Verfassungsbeschwerde. Die Versorgung der Berlinerinnen und
Berliner mit Trinkwasser und die Abwasserentsorgung gehören zum
Kernbereich der öffentlichen Daseinsvorsorge. Daher steht die Frage im
Raum, ob die Verträge zur Teilprivatisierung eine verfassungswidrige
'Flucht' in das Privatrecht darstellen. Eine solche Flucht hat das
Verfassungsgericht als unzulässig bezeichnet.
Dies führt zu der verfassungsrechtlich bedeutsamen Frage, ob im
Kernbereich der Daseinsvorsorge das Privatinteresse zur
Gewinnmaximierung im Vordergrund stehen darf. Das Berliner
Verfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass Privatisierung
nicht dazu führen darf, dass daraus entstehende Lasten den Nutzern
aufgelegt werden. Privatisierungen dürfen keine Preiserhöhungen
begründen.
Aktuell steht der Rückkauf der RWE-Anteile an den BWB zur Abstimmung im
Berliner Abgeordnetenhaus an. Dazu stellt der
Wassertisch-Untersuchungsausschuss "Klaerwerk" fest: Kommt der
Rückkaufvertrag des Senats im Abgeordnetenhaus durch die Abstimmung,
dann bleibt alles beim Alten. Das Letztentscheidungsrecht der
öffentlichen Hand beim Berliner Wasser ist auch im neuen Vertrag, wenn
50% an der RWE Veolia Berlinwasser Beteiligungsgesellschaft (RVB) von
einer privaten Gesellschaft des Landes gekauft wird, nicht gewährt.
(Verstoß gegen das Demokratiegebot). Der Senat will 650 Millionen Euro
ausgeben, ohne bei den Wasserbetrieben mehr Einfluss zu gewinnen, d.h.
das Land würde 75 Prozent der Anteile halten, ohne 75 Prozent Einfluss
zu haben. Die veranschlagte Kaufsumme ist stark überteuert, eine
Rekommunalisierung durch Anfechtung und Rückabwicklung der
sittenwidrigen Verträge von 1999 wäre weitaus kostengünstiger zu
realisieren. Die Wasserpreise werden, nach einer
manipulativen, kurzfristigen Senkung, hoch bleiben und sogar noch
steigen. RWE erhält hunderte Millionen Euro Kompensation für nicht
erbrachte Leistungen. Der Konsortialvertrag bleibt bestehen. Veolia
aber wird dem Senat die Richtlinien diktieren können und das
Abgeordnetenhaus bleibt seiner demokratischen Kontrollfunktion beraubt.
Angesichts dieser Tatbestände tritt der Berliner Wassertisch im Namen
von 666.000 Berlinerinnen und Berlinern weiterhin für eine
kostengünstige und demokratische Rekommunalisierung der Berliner
Wasserbetriebe durch Anfechtung und Rückabwicklung der sittenwidrigen
Verträge von 1999 ein.
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